Werther Podiumsdiskussion

Die Deutschlehrerin meiner Schule legte während der gesamten Hospitation großen Wert darauf, die SuS so vielfältig wie möglich anzusprechen. So setzte sie auch bei der Erarbeitung der Themen in „Die Leiden des jungen Werther“ produktionsorientierte Aufgaben ein. Den SuS wurde ein Arbeitsblatt ausgeteilt, in dem der Selbstmord von Werther bearbeitet werden soll Selbstmord – Appell an die anderen. Zunächst werden Definitionen von Begriffen wie Neurose, Depressionen und Aggressionen gelesen und in Kleingruppen besprochen. Im nächsten Schritt überprüfen die SuS, inwiefern die geschilderten Symptome und Mechanismen, auch bei Werther wiederzufinden sind. Zuletzt werden fünf SuS ausgewählt, die an einer Podiumsdiskussion zu dem Thema „War der Selbstmord Werthers krankhaft bedingt?“ teilnehmen. Ein Interviewer stellt nun Fragen an die „Experten“. Keiner der SuS möchte freiwillig an der Diskussion teilnehmen, sie zeigen sich unwillig. Denn gerade hier zeigt sich, wer die Aufgabe in der letzten Stunde gewissenhaft bearbeitet hat. Gerade dem Interviewer fiel es schwer, sowohl Fragen zu stellen als auch die Diskussion zu leiten.

Ab Gesang

Die Lehrerin der S3 strukturiert ihren Unterricht insgesamt sehr schülerzentriert und nimmt sich oft fast vollständig aus dem Unterrichtsgeschehen raus. In Gruppenarbeiten erarbeiteten sich die SuS die Unterrichtsinhalte und -ergebnisse meist selbst. In dieser und der nächsten Doppelstunde haben die SuS so Zeit, sich die ausgeteilten drei Arbeitsblätter zu erarbeiten. Das Gedicht Ab Gesang von Ulla Hahn soll anhand von sechs Leitfragen analysiert und interpretiert werden: Ab Gesang

 

Ab Gesang

Ich halt dich nicht mehr
aus hau ab ins Grab
gewiss werde ich dir folgen
nie und nimmermehr
schick ich dem Ach ein
Weh noch hinterher

Zieh deine Leine Liebster ein verdufte
wie eine Rose müde ist vom
Kosen hast du dich nie müd gemacht.
Ach wie gemalt in deinen Hosen
fiel ich auf dich
herein auf deinen Teppich
aus Worten fein gewirkt und
gewoben hast du mir manchen Tag
Traum hast du mir zerstört.

Ich halt dich nicht mehr
aus hau ab im Paradies
gewiss bist du gut aufgehoben.

Erst in der fünften Stunde werden die Ergebnisse im Plenum zusammengetragen. Überraschenderweise (die Klasse zeigte sich nach  zwei Monaten Liebeslyrik zunehmend demotiviert) kam die Klasse sehr schnell in eine engagierte Diskussion.

Bei der Beantwortung der vier Leitfragen

  1. Um was geht es?
  2. Welche sprachlichen Gestaltungsmittel fallen auf?
  3. Wer spricht hier?
  4. Wie ist der gedankliche Aufbau?

wurden verschiedene Positionen vertreten. Zwar waren sich alle einig darüber, dass das Gedicht einen negativ konnotierten Liebesbegriff thematisiert. Das Lyrische Ich richte seine Worte an einen „Liebsten“ und beschreibt seine Gefühle. Doch die Formulierung des Themas fiel schwer und die SuS zeigten sich uneins in der Frage, ob der Angesprochene noch geliebt wird. Soll er wirklich gehen? Und wenn ja, wieso ins Paradies? Gerade die letzte Strophe zeigt sich hier als Scheidepunkt. Die Lehrerin muss bei dieser Diskussion nur Impulse setzen, die nicht wirklich leitend sondern eher Gedanken-anreizend wirken. Die Lehrerin zeigt sich zudem sehr interessiert an jeder einzelnen Aussage und wertschätzt diese. Es herrscht eine positive Atmosphäre, die auch die Jungen motiviert, sich mit dem Gedicht auseinanderzusetzen.

 

Gedichtwand

Die SuS haben in der letzten Doppelstunde die Aufgabe bekommen, ein eigenes Liebesgedicht zu verfassen. Hierzu wurde ein Arbeitsblatt ausgeteilt , dass verschiedene Formen von Gedichten darstellt: Elfchen, Akrostichon, Sonett, Haiku. Den Erzählungen der Lehrerin zufolge zeigten sich die SuS zunächst wenig motiviert, gerade die Jungen. Doch das Arbeitsblatt half ihnen und gab eine wenn auch variabel Struktur vor.

In dieser Stunde wurden die Gedichte wie folgt vorgestellt. Anonym sollten die SuS ihre Gedichte an die Fensterwand heften und somit allen bei einem Rundgang die Möglichkeit geben, jedes Gedicht zu lesen. Am Ende sollte jeder SuS drei rote Punkte vergeben, für die Gedichte, die ihnen am Besten gefallen haben. Drei Gedichte wurden hierdurch zu den gelungensten ernannt.

Doch um alle Gedichte zu wertschätzen, sollten die SuS im Anschluss alle Gedichte auf eine Leinwand schreiben, um sie in den Flur der Schule zu hängen. Die Lehrerin ermutigt die SuS immer wieder, dass sie sich nicht für ihre Gedichte zu schämen brauchen, sondern vielmehr stolz auf die tollen Resultate sein können. Die SuS sind sehr motiviert, die Leinwand kreativ zu gestalten.Gerade durch die Ermunterung der Lehrerin lernen die SuS, dass auch oder gerade emotionale Schriften kein Grund zur Scham sind, sondern ein literarische Ausdrucksform, die Lob verdient.